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Insulin-Kauderwelsch: Analog-Insulin, Lispro, NPH-Insulin

Beim Thema Insulin ist man schnell mit sehr vielen Begriffen konfrontiert. Doch das Thema wirkt komplizierter als es wirklich ist. Wir erläutern hier die verschiedenen Insulintypen und ihre Unterschiede.

Für die Praxis vor allem relevant ist die Wirksamkeitsdauer. Denn das bestimmt, ob ein Insulin als Basal- oder als Bolusinsulin benutzt werden kann. So ist beim Bolusinsulin vor allem die Dauer relevant, bis das Insulin zu wirken beginnt. Denn das bestimmt den Spritz-Ess-Abstand. Hingegen beim Langzeitinsulin interessiert man sich für die Dauer der Wirkung. Und diese Dinge sind bestimmt durch die Chemie des Wirkstoffs. Für jede Insulinvariante gibt es einen eigenen chemischen Namen. Und diese werden dann unter einem Produktnamen durch die Hersteller verkauft. Auf diese Weise kommen dutzende von Begriffe zustande. Mit ein bisschen Verständnis der Zusammenhänge kann man aber schnell den Durchblick zurückgewinnen.

Insulin-Typen und ihr Timing

Wir nähern uns dem Thema von der praktischen Seite, dem Timing. Denn das ist es, was am Ende in der Therapie zentral ist. Hier die wichtigsten Gruppen samt ihrer typischen Wirkdauer, Wirkeintrittsdauer und Zeit bis das Wirkmaximum eintritt:

schnellwirksame Insulinanaloga, NPH-Insulin, Normalinsulin und langwirkende Analog-Insuline und deren Wirkdauern

In der I.C.T und der Pumpentherapie CSII heutzutage werden hauptsächlich Insulinanaloga eingesetzt. Denn deren Dauern sind am besten geeignet um die Therapie flexibel zu timen: zu dieser Gruppe gehören zum Einen die Insuline mit der schnellsten Wirkung, was für Mahlzeiten praktisch ist. Und zum Anderen die mit der langsamsten Wirkung, so dass dies gut auf wenige Gaben pro Tag verteilt werden kann.

Es gibt eine Reihe weiterer Insuline, die bei einer Pumpen- oder I.C.T.-Therapie eher selten Verwendung finden:

  • Lente-Insuline, auch zinkverzögerte Insuline genannt. Sie erhalten ihre Verzögerungswirkung durch Verwendung von Zinkionen. Da diese aber bei unterschiedlichen Menschen sehr unterschiedlich schnell wirken, werden sie kaum mehr verwendet.
  • Surfen-Verzögerungsinsulin. Früher häufiger verwendet, führten diese Insulin verstärkt zu Lipoatrophien und Lipdystrophien (siehe unser Blog-Eintrag zu Injektionsstellen). Daher setzt man nun modernere Stoffe ein.
  • Misch-Insuline. Diese sind Mischungen aus dem schnellwirksamen Humaninsulin und langsam wirkenden NPH-Insulin. Sie werden vor allem bei konventioneller Therapie verwendet. Tendenziell betrifft diese Therapieform eher ältere Menschen, die mit I.C.T. oder CSII nicht mehr zurecht kommen.
  • Inhalationspräparate sind relativ neu, haben sich aber bisher nicht breitflächig durchgesetzt. Denn insbesondere ist die Handhabung grundsätzlich anders und die Vorteile liegen nicht klar auf der Hand.

Die Chemie gibt das Warum

Das Timing und damit der praktische Einsatz wird durch die chemische Struktur des Insulins und durch die beigemischten Substanzen bestimmt (siehe auch unser Blogbeitrag „Injektionsstellen, Insulin Wirkung und unlogische Blutzuckerverläufe“ ). Insulinmoleküle verklumpen in hoher Konzentration, wie es beim Spritzen unter die Haut vorliegt. Sie bilden sechseckartige Strukturen, die auch sehr hübsch anzusehen sind:

Molekül Insulin Hexameter
Insulinmoleküle, hier grüne Spiralen, verklumpen sich zu Sechser-Gruppen (Quelle: Wikipedia, Takometer)

So können sie aber nicht in die Blutbahn gelangen. Dafür müssen sie sich erst mit der Flüssigkeit des Unterhaut-Fettgewebe verdünnen und auflösen. Für das menschliche Insulin (Normal- (Alt-)Insulin) dauert da etwa 30 Minuten. Dieser Effekt kann beschleunigt oder verlangsamt werden. Die genauen Aufnahmezeiten sind wie immer individuell.

Beim NPH-Insulin erfolgt eine Verzögerung durch die Beimischung eines Zusatzstoffs.

schnellwirksame und besonders langsam wirksame Insuline sind immer Analoginsuline

Analoginsuline

Bei Analoginsulinen werden Teile des menschlichen Insulinmoleküls ersetzt. Die verschiedenen Hersteller machen das minimal unterschiedlich. Entsprechend unterscheidet sich das Timing der Insulinaufnahme etwas.

Daher steht z.B. in der Beschreibung des Wirkstoffs Insulin Lispro, Wirkstoff von Humalog, sowas wie: „Im Vergleich zu Humaninsulin wurde bei Insulin lispro die Aminosäuren Prolin an Position 28 und Lysin an Position 29 ausgetauscht“. Bei Insulin aspart, Wirkstoff von NovoRapid, wurde am menschlichen Insulin eine andere Veränderung vorgenommen: „Im Insulin aspart ist Prolin 28 durch Asparaginsäure ersetzt worden.“ Durch immer neue Varianten wird versucht, immer schneller wirksames Insulin herzustellen.

Für Basalinsuline, die von Pen-Nutzern verwendet werden, möchte man das Gegenteil erreichen: eine möglichst langsame gleichmäßige Aufnahme. Auch hier werden Teile des Moleküls ersetzt. Beispiel Insulin detemir, Wirksthoff von Levemir, schreibt die Wikipedia: Das C-terminale Threonin (B30) wurde entfernt und an der ε-Aminofunktion des Lysins an B29 ein Myristinsäure-Molekül kondensiert.

Strukturformel Insulin
Komplex: chemische Strukturformel von menschlichem Insulin. Bei Analoginsulinen sind sehr kleine Teilketten verändert (Quelle: http://reliefs.ch/chemiebeitrag/strukturformeln)

Begriffsübersicht

Und jetzt haben wir die Erklärung für die Begriffsflut. Denn jede Insulin-Variante trägt einen eigenen Namen. Und zu jeder Variante wiederum gehören ein oder mehrere Produktnamen der Hersteller. Denn der Stoff, den man in der Apotheke kauft, ist ja nicht nur der Wirkstoff. Sondern er enthält auch andere Stoffe, wie z.B. die Lösung, Konservierungsmittel, Stoffe für die Aufnahme etc. Denn verschiedene Hilfsstoffe beeinflussen die Aufnahme desselben Wirkstoffs. So zum Beispiel beim Wirkstoff Insulin lispro: Er wird in Humalog verwendet mit Wirkeintritt nach 15 Minuten, in Lyumjev mit einem angegebenen Wirkeintritt von 5 Minuten.

Folgende Übersicht listet den Zusammenhang zwischen Wirkstoffen und Produkten für Analoginsuline.

WirkstoffProduktnameHersteller
Kurzwirksame Analoginsuline  
AspartNovoRapid®Novo Nordisk
Faster AspartFIASP®Novo Nordisk
GlulisinApidra®Sanofi-Aventis
Lispro (Biosimilar)Insulin lispro Sanofi®Sanofi-Aventis
LisproHumalog®Lilly
LisproLyumjev®Lilly
LisproLiprolog®Berlin-Chemie AG
Basalinsuline  
DegludecTresiba®Novo Nordisk
DetemirLevemir®Novo Nordisk
GlarginLantus®Sanofi-Aventis
Glargin (Biosimilar)Abasaglar®Lilly/Boehringer Ingelheim
GlarginToujeo®Sanofi-Aventis

Fazit

Insulin ist nicht gleich Insulin. Ausgangspunkt ist für alle verwendeten Insuline heute das Molekül des menschlichen Insulins, das sogenannte Normalinsulin. Bei Analoginsulin wird durch minimale chemische Abwandlung die Aufnahmegeschwindigkeit verändert. Der große Begriffszoo entsteht lediglich durch die Vielfalt der Varianten und Herstellerbezeichnungen. Aber die tatsächlichen Unterschiede sind gering.

Links

https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffgruppen/humaninsuline – Detail-Informationen zu den verschiedenen Insulinwirkstoffen, unter anderem zur chemischen Struktur

https://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Insuline – Übersicht über die Insulintypen und der Wirkzeiten

https://www.diabetes-deutschland.de/archiv/1643.htm – Weitere Übersicht über die Insulintypen

https://www.diabinfo.de/fachkreise/fuer-sie-bereitgestellt/behandlung/insuline-auf-einen-blick.html – Übersicht zu Insulintypen und v.a. umfangreiche Liste von Wirkstoffen, Hersteller und Wirkzeiten

https://flexikon.doccheck.com/de/Verz%C3%B6gerungsinsulin – Details zu Verzögerungsinsulinen, z.B. dass Lente nicht mehr verwendet wird

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